von Jürgen Schuster
Stellen Sie sich einen gut besuchten Saal vor, in dem vielleicht gerade ein Vortrag über die „Kraftquelle Schlaf“ läuft. Bei einem bestimmten Punkt kommt es regelmäßig zur gleichen Situation: Viele der anwesenden Damen blicken genervt zur Decke, während ihre männlichen Begleiter eher verlegen zur Seite schauen. Genau, dann bin ich beim Thema „Schnarchen“ angelangt.
Dabei ist es ein Vorurteil, dass immer wir Männer die Übeltäter sind, aber zugegeben – wir stellen die Mehrheit der Schnarcher und sind oft genug auch noch selber schuld. Doch lassen Sie uns das Phänomen genauer anschauen.
Atemaussetzer – Achtung Lebensgefahr
oder: Wie ich zum Frauenversteher wurde
Bevor wir uns auf Tipps und Informationen für das normale Schnarchen konzentrieren, stellen wir für eilige Leser eine Volkskrankheit an den Beginn. Bei Gesundheitstagen kommen oft Paare zu mir und die Dame erzählt mir, dass ihr Partner manchmal oder sogar sehr häufig im Schlaf die Luft anhält. Und wenn sie ihn am Tag darauf anspricht und zum Arztbesuch rät, glaubt er ihr das einfach nicht. An dieser Stelle ergänzt dieser Partner: „Herr Schuster, erklären Sie meiner Frau doch bitte, dass sie sich das einbildet. So was müsste ich doch merken!“
Irrtum, sogar ganz großer, lebensbedrohlicher Irrtum. Das heimtückische an diesen nächtlichen Atemstillständen ist tatsächlich der Umstand, dass der Betroffene es nicht merkt.
Also, meine Herren bitte glauben Sie Ihrer Frau – wer würde sich denn schon solche Horror-Stories ausdenken oder einbilden? Etwas mehr Vertrauen ist in der Partnerschaft meistens sehr hilfreich, und kann in diesem Fall Ihr Leben deutlich verlängern. Das sind die Hintergründe der Epidemie die wir Schlafapnoe nennen:
Durch eine Erschlaffung der Muskulatur im Rachenraum fällt die Zunge nach hinten und verschließt den Schlund, besonders wenn sich der Schläfer oder die Schläferin in Rückenlage befindet. Erst bei einer Atempause von mehr als zehn Sekunden spricht man von einer Apnoe.
Der Begriff „Apnoe“ bedeutet „Windstille“. Das klingt nett, jedoch sorgen die häufigen Atemstillstände für Notfallreaktionen des Gehirns. Es folgt ein kurzes Schnappen nach Luft und damit ein Öffnen der Atemwege. Meist merkt der oder die Betroffene das eben nicht, obwohl sich dieses Phänomen im Laufe der Nacht hundertfach wiederholen kann. Häufen sich die Aussetzer, so kommt es zu einer mangelnden Sauerstoffversorgung des Gehirns und einer erhöhten Ausschüttung von Stresshormonen. Dies führt meistens zu Bluthochdruck, einem gesteigerten Herzinfarkt – und Schlaganfallrisiko sowie – besonders in Kombination mit Übergewicht – zu einer Diabetes-Erkrankung.
Durch das ständige, unbemerkte Erwachen verkürzen sich die lebenswichtigen Tiefschlafphasen oder fallen sogar ganz aus. Es kommt folglich zu Tagesschläfrigkeit mit Sekundenschlaf (Achtung, Unfallgefahr!) oder einfach nur zum Erlebnis von Erschöpfung. Das zumindest merken die betroffenen Personen früher oder später als deutliches Warnsignal.
Was können Sie tun, wenn Ihr Partner / Ihre Partnerin Sie auf Atemaussetzer aufmerksam macht? Oder Sie als Single merken, Ihr Schlaf ist nicht mehr erholsam?
Inzwischen gibt es mobile Screening – Geräte für zu Hause, die den ersten Verdacht bestätigen oder ausschließen können (Ihr Hausarzt weiß Bescheid). Sonst finden Sie in jedem Schlaflabor fachkundige Ansprechpartner. Bedenken Sie: Die Apnoe ist eine schwerwiegende Erkrankung, die Ihr Leben beeinträchtigt und höchstwahrscheinlich deutlich verkürzt.
Was Sie tun können ( und was auch bei normalem Schnarchen hilfreich sein kann)
- Wie bei so vielen anderen Zivilisations-Krankheiten auch, geht es bei der Apnoe oft um schlaffe Muskulatur und schwaches Bindegewebe. Entsprechend hilft alles, was den Rachenraum stärkt – Singen, ein Blasinstrument, reichlich Bewegung und Gewichtsabnahme. Es gibt übrigens ein medizinisches Didgeridoo, das Sie sich im Sanitätshaus besorgen können, und dessen Wirksamkeit belegt ist.
- Goldstandart bei Apnoe ist die Atem-Maske (Fachbegriff CPAP), die vom Schlaf-Mediziner angepasst wird – nach ein paar Tagen hat man sich daran gewöhnt und freut sich über die gesteigerte Lebensqualität. Endlich wieder wach und leistungsfähig.
- Wertvoll kann bei Schnarchen wie auch bei Apnoe die sog. Protrusionsschiene sein. Der Unterkiefer wird dadurch auch in der Rückenlage stabilisiert. Die Erfolgsquote gilt als hoch.
- Meine Damen und Herren, ganz ehrlich – Schnarchen macht keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Männer sind voraus, doch nach der Menopause schnarchen auch Frauen immer mehr. Normales Schnarchen als solches ist – solange es nicht von den beschriebenen Atemaussetzern begleitet ist – nicht gesundheitlich riskant.
Normales Schnarchen
Einen Königsweg um Schnarchen abzustellen gibt es derzeit noch nicht – und würde den Erfinder sicher reich machen. Wir raten von chirurgischen Eingriffen ab, da diese oft genug keinen (oder keinen dauerhaften) Erfolg zeigen, und einmal durchgeführt irreversibel sind. Weniger Alkohol und Gewichtsabnahme können helfen, zumindest in vielen Fällen die Lautstärke reduzieren. Denn die kann den Pegel eines vorbeifahrenden LKW erreichen.
Für die Partnerin (oder den Partner) helfen Ohrenstöpsel, Nerven wie Drahtseile oder gleich ein separates Schlafgemach. Ermutigend eine Studie aus Frankreich, nach der die Frauen von Schnarchern – einmal eingeschlafen – einen qualitativ guten Schlaf haben und einen normalen Anteil an Tiefschlaf.
Dann bleibt das Schnarchen einfach nur was es eben ist: unangenehm für unfreiwillige Zuhörer.
Herzlichst, Ihr Jürgen Schuster